JOHANNES SCHMOELLING
Theatre Work

Das Atelier
Theaterstück von Jean-Claude Grumberg
Renaissance-Theater Berlin
Premiere: 24. Oktober 2000
Regisseur: Felix Prader
...das Stück spielt in Paris in der Zeit von 1945 - 1952
An einem frühen Morgen des Jahres 1945 nimmt Simone ihre Arbeit im Atelier des Schneidermeisters Léon auf. Nach und nach treffen die anderen Näherinnen ein: Gisèle, die bei der Arbeit gern vor sich hin trällert; Madame Laurence, eine humorlose Polizistengattin; Mimi, die Verrückte mit dem losen Mundwerk und die temperamentvolle Marie, die am liebsten lacht. Lachen ist der beste Fleischersatz! Gisèles Kommentar spiegelt die Grundstimmung jener Zeit direkt nach dem Krieg, den entschlossenen (Über)Lebenswillen, die Hoffnung und das Vergessen.
Wenn Mimi unter allgemeinem Gelächter ihre nächtlichen Abenteuer zum Besten gibt, wenn sie erzählt, wie ihr beim Swing-Tanzen mit einem Ami die Schuhe abhanden kamen und sie im Rinnstein landete, wenn Simone von Marie gefragt wird, ob sie auch tanzen gehe, ausweichend antwortet und auf Nachfragen "gesteht", dass sie mit zwei Kindern allein sei, weil ihr Mann deportiert wurde - dann tritt für kurze Zeit betretenes Schweigen ein. Bis Mimi wieder einen Witz reißt.
Alltag in einer kleinen Schneiderwerkstatt im Pariser Stadtviertel Sentier. Die Arbeit ist schwer. Miserable Stoffe, Fäden, die immerzu reißen, schlechtes Licht. Dazu ein cholerischer polnischer Patron, die Gereiztheit zwischen ihm und seiner angestrengt um Ausgleich bemühten Frau, ein schweigsamer Bügler, der nach einer nächtlichen Aussprache mit Simone und einem halb zornigen, halb verzweifelten Geständnis des Chefs kündigt: Wenn man sich nur die Zunge abschneiden könnte ...
In Grumbergs Chronik der Nachkriegsjahre ist die fröhliche Normalität des Arbeitsalltags die trügerische Spitze eines Eisbergs, dessen dunkler Schatten den Versuch dieser kleinen Leute, ein neues Leben anzufangen, ständig begleitet. Das Grauen der jüngsten Vergangenheit lauert unter der Oberfläche. Bedrohlich für die einen, scheinbar leicht zu umschiffen für die anderen. Das verleiht den harmlosen Scherzen, den Sticheleien und Streitereien unter Kollegen, ihrer Anteilnahme und Gleichgültigkeit eine doppelbödige Spannung, in der Momente der Wahrheit, der Einfachheit, der Menschlichkeit ohne Sentimentalität aufblitzen.
Grumbergs Suche nach der verlorenen Zeit der Kindheit, als seine Mutter in einer Schneiderei den Lebensunterhalt für sich und die beiden Söhne verdiente, während sie (vergeblich) auf die Rückkehr ihres Mannes wartete, hat eine der bewegendsten Tragikomödien der letzten fünfzig Jahre hervorgebracht.
Besetzung:
Ulrike Jackwerth   Sona MacDonald   Sabine Herken   Yasmina Djaballah   Monika Hansen   Imogen Kogge
Hélène   Simone   Gisèle   Marie   Madame Laurence   Mimi
Udo Samel   Günter Barton   Jürgen Lehmann   Joachim Flicker
Léon   Erster Bügler   Jean, zweiter Bügler   Maschinennäher
Matthias Günther/ Matthias Brandt   Jason Querner/ Nicolas Tech/ Nils Velte
Max   Das Kind
Felix Prader   Gerhard Gollnhofer
Regie   Bühnenbild und Kostüme
Spieldaten (hier klicken)

© 1998 - 2002 by Johannes Schmoelling